Mittwoch, 16. Dezember 2009

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt nun die Vorratsdatenspeicherung - (M)ein Blick

Datenschützer, Bürgerrechtlicher und Teile der Politik wehren sich mit der größten Verfassungsklage in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegen die Vorratsdatenspeicherung. Es klagen insgesamt 34.000 Bürger von denen 3 Beschwerden exemplarisch herangezogen werden.

Die Vorratsdatenspeicherung basiert auf eine EU-Richtlinie, die fordert, das alle Kommunikationsdaten für 6 Monate gespeichert wird. Die Verbindungsdaten von Telefon, Handy und Internetverbindungen werden nicht mit Inhalten, aber z.B. bei Handytelefonaten mit Standort gespeichert. Gerade hier hat sich in der jüngsten Zeit herausgestellt das die Telekommunikationsunternehmen auch Daten speichern, die hierbei gar nicht vom Gesetz verlangt bzw. vorgesehen waren. So ist es möglich ein lückenloses Bewegungsprofil der letzten 6 Monate zu erstellen. Politiker wie z.B. der ehemalige FDP-Innenminister Gerhard Baum beklagen einen Dammbruch der Bürgerrechte und verurteilen die pauschale Überwachung aller Bürger.

Das Fernsehen berichtete ausführlich über die Eröffnung des Verfahrens, von dem erwartet wird, das im Frühjahr ein Grundsatzurteil gefällt wird.

Interessant finde ich in dem Zusammenhang mal wieder das genutzte Wording z.B. des Präsidenten des BKA Jörg Zierke. Dieser "erfindet" mal schnell das neue Wort "Netzwerkkriminalität" um zu illustrieren, das die Vorratsdatenspeicherung unbedingt notwendig ist. Eine Recherche meinerseits hat ergeben, das aktuell bei Google hier ca. 4500 Suchergebnisse, und diese aus dem Schweizer Sprachraum erzielt werden.

Herr Zieke fiel mir zuletzt bei einer Ring-Vorlesung in der TU Berlin auf, wo er als nächste Forderung an den Gesetzgeber das Verbot von verschlüsselter Kommunikation z.B. per E-Mail und die Verschlüsselung von Festplatten-Partitionen forderte. Das Argument, jeder Klein-Dealer verschlüsselt heute seine PCs, täuscht nicht über den möglichen Schaden z.B. der Industrie (Industrie-Spionage) hinweg und kann nur als unverhältnismäßig bezeichnet werden.
Im Sinn der Bürgerrechte ist aber der Schutz der Privatsphäre das wichtigste Gut und muß, ob bei der Vorratsdatenspeicherung oder der vertraulich-persönlichen Kommunikation unbedingt vor dem staatlichen Zugriff geschützt werden. Schon heute tragen Teile der Bevölkerung, eben aus Angst vor Kontrolle, kein Handy mehr mit sich. Auch oder gerade weil diese Menschen wohl kaum Gefahr laufen als Terroristen oder schwere Gewalttäter ermittelt zu werden, ist der Schaden für Staat und Gesellschaft immens.

Es bleibt abzuwarten ob die unabhängigen Richter des Bundesverfassungsgerichts und Ihr Präsident Herr Papier nunmehr die Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig verbieten oder dessen Nutzung wie schon geschehen, stark einschränken. Auf diese Weise könnte die Vorratsdatenspeicherung auch ein Prüfstein für die Souveränität des Nationalstaats und dessen Gesetzgebungen innerhalb der EU werden.

Kurz: Bei dem Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung geht es auch um einen EU-weiten Werte-Kanon, der angesichts des erst in diesem Monat in Kraft getretenen Lissabon-Vertrags noch nicht in Zement geißelt ist. Die Bürgerrechtsbewegung täte gut daran, neben der nationalen Gesetzesinitiativen, auch die europäische Vernetzung voran zu treiben um so auch im bestehen EU-Kontext das informationelle Selbstbestimmungs-Recht, die Bürgerrechte und die individuelle Freiheit zu verteidigen.

Auch ist zu beachten, der "Fall Zierke" zeigt das auf, das bestehende Systeme "aus ihrer Sicht" immer das Bestreben haben, ihren Machtbereich und ihre Befugnisse auszubauen. Hier ist, neben den anderen Säulen unserer Demokratie (Legislative, Judikative) auch die Gesellschaft gefragt, ihr Bedürfnis nach Freiheit immer wieder neu zu definieren. Einen Präventions-Staat, der seine Bürger vor allen möglichen Gefahren beschützt, immer weitere Gesetze erlässt (Staatsschutzstrafrecht) oder verschärft, sollte und darf es nicht geben.

Es ist eben ein Unterschied, ob ein Staat seine Bürger (nicht) mit Tempo 200 durch eine Ortschaft fahren läßt, oder ob er "Vorbereitungshandlungen zu einer Straftat" unter Strafe stellt. Den bei letzterem kann es sich der "Täter" noch immer anders überlegen, bei erstem ist der Schaden für dritte "vor-programmiert".

Die Demokratie steht nicht erst seit der Französischen Revolution auf tönernen Füßen und ist stetigen Wandlungen und Änderungen unterworfen. Die "digitale Revolution" ist entweder Segen oder Fluch! WIR haben es in der Hand!