Mittwoch, 27. Juni 2012

Ein Lehrstück für Demokratieverständnis durch die Berliner Club-Szene!

Die Berliner Club-Szene hat ein weiteres mal ihren kulturellen Background von "we are one family" bewiesen und zeigte sich im Protest bunt, kreativ und friedlich.

Was war geschehen?

electrocult_e.V., einem Berliner Verein dem ich als Vorstand angehöre, initiierte mit vielen Partnern der Berliner Club- und Kultur-Szene das Netzwerk "Fairplay - Gemeinsam gegen GEMAinheiten". Dieses Netzwerk realisierte nicht nur eine hohe Mediale Aufmerksamkeit und rückte die Tarifreform 2013 ins öffentliche Interesse sondern organisierte eine Protestkundgebung vor dem Frannz-Club, wo zeitgleich das GEMA-Mitgliederfest stattfand.

Für die Willensbildung des Netzwerks, d.h. das sich das gesamte Netzwerk innerhalb einer gemeinsamen Strategie wiederfand, gab es nur knapp 6 Wochen Zeit. Das Ergebnis kann wie folgt zusammen gefasst werden:

1. Die Tarifreform 2013 ist für die Clubkultur-Szene nicht tragbar und muß ausgesetzt werden
2. Die Aktionsformen sollen einen in Gang zu setzenden Dialog mit der GEMA nicht verhindern sondern ermöglichen.
3. Das Netzwerk agiert streng konstruktiv und informiert insbesondere erst einmal die GEMA-Mitglieder, welche offensichtlich von Ihren Angestellten -der GEMA-Verwaltung- nur unzureichend in die Tarifgestaltung eingebunden werden.

Auch die anzuwendenden Mittel mit der die formulierten Ziele zu erreichen sind, waren sehr schnell definiert:

1. Starke und emotionale Presseerklärungen der einzelnen Netzwerk-Protagonisten und des Netzwerks als Ganzes sowie Solimails an die politischen Entscheidungsträger sowie der GEMA
2. Eine Podiumsdiskussion an dem Ort, wo auch die GEMA ihre Mitgliederversammlung durchführt.
3. Eine Protestkundgebung vor dem Mitgliederfest der Gema.

Das Netzwerk FAIRPLAY einigte sich nach meiner Bewerbung um die Aufgabenrolle darauf, das ich der Anmelder der Protestkundgebung sein sollte. Für mich eine Aufgabe die ich gerne übernahm, aber auch eine besondere Verantwortung darstellte.
Die Ziele definierte ich für mich im wesentlichen so:

1. Die Information und der Nachweis Tragfähigkeit des konstruktiven DEMO-Konzepts an die Versammlungsbehörde, Bereitschaftspolizei und die vor Ort eingesetzten Kräfte.
2. Kommunikation des Demokonzepts an die Teilnehmer der Protestveranstaltung
3. Situative Unterstützung der Demo-Ordner und Polizeikräfte als verantwortlicher Anmelder.

Von der Versammlungsbehörde und den eingesetzten Polizeikräften wurde der anberaumte Ort der Kundgebung, der Fannz-Klub bzw. das Mitgliederfest der GEMA zu Anfang per sè als Provokation begriffen. Das ist, wenn man den Charakter und die Notwendigkeit dieser demokratisch legitimierten Institutionen begreift, auch kein Wunder. Ich setzte der Forderung der Versammlungsbehörde die Kreuzung Schönhauser Allee/Sredzkistr. mit sogenannten "Hamburger Gittern" abzusperren unser vorab kommuniziertes und in dem Peer-Medium Groove veröffentlichtes Protest-Konzept entgegen. Ich verweigerte hier also meine Zustimmung und erläuterte, das wir innerhalb unserer Ordner-Einweisung die besondere Situation, das der politische Gegner durch unsere Kundgebung hindurch fährt, selbst bewältigen wollen.

Zudem habe ich als Anmelder der Kundgebung die Kundgebungsteilnehmer auf unser Konzept "eingeschworen":

Stoppt die GEMA Tarifreform Demo Berlin [2012-06-25]: Part 3 Lotar Küpper from stepcamera.de on Vimeo.



Im wesendlichen, von einzeln gezeigten "Stinkefingern" abgesehen, wurden die GEMA-Gäste mit Applaus und Beifall empfangen um dann beim Aussteigen auf dem Gelände der Kulturbrauerei das von uns erarbeitete Informationsmaterial durch unsere Hostessen überreicht zu bekommen (Im folgenden Video ab 1:25 zu sehen).

Insgesamt ist festzustellen:
1. Die "politischen Gegner" einer Protestkundgebung waren selten so eng beisammen wie bei der Kundgebung "Fairplay - Gemeinsam gegen GEMAinheiten". Die Initiative kam hierbei ohne die bereitgestellte Einzatzhundertschaft der Polizei aus!
2. Der Einsatzleiter der Polizei-Hundertschaft war auf die Konfrontation der Kundgebungsteilnehmer mit den GEMA-Mitgliedern eingestellt. Er stellte seine Kräfte auch entsprechend auf. Er benötigte diese aber wegen unserer bereits im Vorfeld instruierten Ordner und Teilnehmer nicht. (O-Ton des Einsatzleiters im Nachgespräch: Ich habe nicht geglaubt, das das funktioniert...)
3. Die GEMA-Mitglieder haben unsere Nöte und Ängste verstanden!

Ich persönlich bewerte die gewählten Aktionsformen für einen Erfolg im vollem Umfang. Zudem danke ich allen Teilnehmern der Kundgebung, allen Ordnern und auch den Einsatzkräften der Polizei für Ihr besonnenes Auftreten und die sachgerechte Demonstration unserer Kultur.

Die einzig anzubringende Kritik gilt dem offensichtlich einzelnen Anwohner, welcher sich trotz darstellbarer Pegelregelung (nach unten) über die Lautstärke unserer Kundgebung monierte und zudem die Kundgebung dann auch direkt störte.
Ihm erkläre ich (gerne auch persönlich):
"In einer Demokratie musst Du den Protest auch vor Deiner Haustüre aushalten. Deine verständliche Aufregung in dieser Situation wiegt unser berechtigtes Interesse zur Meinungs- und Willen-Kundgabe in der gelebten Demokratie nicht auf."