Samstag, 13. August 2011

Die Fuckparade, das Manifest und der Bunker

Die Fuckparade http://www.fuckparade.org/ ist eine seit 1997 jährlich stattfindende Demonstration in Berlin, die ursprünglich als Gegenbewegung zur Loveparade entstand.

Hauptgründe waren laut Veranstalter die Verdrängung nicht erwünschter Technostile (Hardcore Techno, Gabba) und die Kommerzialisierung der Loveparade (hohe Teilnahmegebühren für Wagen, szenefremdes Sponsoring, keine politischen Aussagen trotz Demonstrationsstatus). Daneben wurde die Schließung des Techno-Clubs Bunker in der Albrechtstraße in Berlin-Mitte sowie der damit zusammenhängende „Ausverkauf“ des Scheunenviertels thematisiert.

Die Fuckparade versteht sich als eine zeitgemäße Form einer Demonstration. Insbesondere die Musik sehen die Organisatoren als politisches Ausdrucksmittel der DJs, MCs und Live-Acts sowie elementaren Bestandteil der Demonstration. Seit 2001 gibt es massive Probleme im Genehmigungsverfahren durch die Versammlungsbehörde Berlin. Der vorläufige Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war im Jahre 2001 das so bezeichnete „Radioverbot“. Im Mai 2007 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Fuckparade eine Veranstaltung nach dem Versammlungsgesetz (Demonstration) sei. Vergleiche hierzu die Abschnitte „Versammlungsrecht und Demonstrationen“ und „der Berliner Paradenstreit“ im Artikel „Hans Cousto und die HANFPARADE wehren sich gegen die Versammlungsbehörde!“ in diesem Kulturarbeiter-Blog.

Der Name „Fuckparade“ ist die abgeleitete Kurzform von „Fuck the Loveparade“. Die Fuckparade hieß ursprünglich „Hateparade“ und sollte so die Abgrenzung zur Loveparade demonstrieren, dies wurde jedoch von einigen Medien als „Parade des Hasses“ interpretiert (z. B. Focus und Spiegel TV), zumal 1997 Punks unterdem gleichen Titel zu „Chaostagen in Berlin“ aufriefen. (Quelle: Wikipedia)

Die nächste Fuckparade wird am Samstag, den 20. August 2011 in Berlin stattfinden und vor dem Bunker in der Reinhardtstraße unter dem Motto „Subkultur fördern! Räumungen stoppen! Leerstand nutzen!“starten.


Manifest der Fuckparade



Die Fuckparade gründet sich auf kulturelle Vielfalt, Freiheit und Toleranz. Die Fuckparade versteht sich als offene Interessengemeinschaft subkulturell engagierter Menschen und ist jedem zugänglich, der diese Werte unterstützt. Die Fuckparade distanziert sich ausdrücklich von Ausgrenzung, Intoleran und Faschismus. Subkultur wird von uns nicht als Gegenkultur verstanden, sondern vielmehr als das Gewissen des Mainstreams, dessen Probleme und Fehler sie offenzulegen und aufzuarbeiten vermag. So schafft die Subkultur eine Kultur ohne beschränkende kommerzielle Zwänge, indem sie als kreatives Experimentierfeld, als Sozialisations- und Rückzugsort kreativer Menschen dient. Subkultur stellt einen sozialen Wert dar, keinen kommerziellen.

Wir sehen in Kunst und Musik politische Ausdrucksformen einer weitverzweigten Jugendkultur. Wir demonstrieren darum für musikalische Vielfalt, Akzeptanz und Unterstützung alternativer Musik, gegen eine ausschließlich kommerzielle Orientierung der Musikmedien. Wir demonstrieren für das Recht, öffentlichen Raum ohne großen bürokratischen Aufwand und ohne Überwachung nutzen zu können. Wir demonstrieren gegen eine Kriminalisierung von Künstlern und deren Veranstaltungen, für eine wohlwollende Auslegung des polizeilichen Ermessensspielraums. Miteinander reden statt räumen.

Wir kämpfen auch für das Recht, unser Anliegen mit den uns eigenen Ausdrucksmitteln auf Demonstration „Illegale“ Clubs sind kein Selbstzwecken vorzubringen. Deshalb fordern wir erneut, Musik und andere zeitgemäße, kreative politische Ausdrucksmittel nicht weiter auszugrenzen und als Demonstrationsmittel anzuerkennen. Wir sind Künstler, keine Gewerkschaftler!

Die Fuckparade fordert die Politik auf, ein tolerantes Umfeld zu schaffen, in dem subkulturelle Minderheiten akzeptiert und als wichtiger Ursprungsort musikalischer Innovationen verstanden und unterstützt werden, nicht behindert oder kriminalisiert. Berlin versteht sich als ständig in Bewegung befindliche Stadt der Kunst- und Kulturszenen, als eine kreative und bunte Stadt, die von aller Welt dafür geschätzt wird. Diese Kultur muss gepflegt und gelebt werden. für temporäre kulturelle Projekte müssen unbürokratische Wege geschaffen werden, legal arbeiten zu können. und dienen nicht der Bereicherung, sondern sind eine Kapitulation vor dem zeitlichen und bürokratischen Aufwand, der spontane oder zeitlich begrenzte Projekte unmöglich macht. Zudem gibt es eine räumliche Not trotz des ungeheuren Leerstands von Gewerbeimmobilien in den Innenstädten.

Wir demonstrieren unseren Protest gegen den kommerziellen Ausverkauf der Innenstädte durch Investoren und Bürokraten, die durch unrealistische Miet- oder Kaufpreise beharrlich verhindern, dass Künstler und alternative Projekte im Zentrum Fuß fassen können. Nicht die Anzahl der Opern, die toten Fassaden der Investitionsruinen oder der fade Abglanz der Politschickeria machen eine Stadt lebenswert. Wir brauchen eine lebendige, vielfältige Kultur von unten und ein städtebauliches Konzept, das diese fördert, nicht immer weiter aus den Zentren verdrängt. Zudem fordern wir die Kooperation des Senats in der Anpassung des völlig überholten Gastronomiegesetzes. Veranstalter und temporäre Projekte, die aus den beschriebenen Umständen heraus ohne offizielle Genehmigungen Lokalitäten betreiben, sollen entkriminalisiert werden. Es sollen innovative und experimentelle Wege der Gastronomie mit pragmatischen politischen Lösungen ermöglicht werden.


Bunker – der härteste Club der Welt



Text: Hans Cousto

Der Bunker, in der Albrechtstraße 24 in Berlin-Mitte unweit des Bahnhofs Friedrichstraße gelegen, war der einzige Club in der Stadt, in dem regelmäßig Hardcore-Raver bei exessiven Gabber-Parties (Gabba-Nation) mit harten schnellen Sounds auf ihre Kosten kamen. Der Bunker hatte stets seit dem Vermassungseffekt durch die Love Parade seinen ganz eigenen Stellenwert als Underground-Club erhalten. Immer etwas außen vor in der szenigen, etablierten Party-Clique Berlins hatte der Bunker eine ganz eigene Familie von kruden Techno-Liebhabern um sich herum aufgebaut. (o.A.: Bunker geschlossen, in: Flyer Nr. 25, Berlin 1996, S. 5)

The Raving Variety lautete das Leitmotiv der Bunker-Crew: 30 DJs auf vier Etagen und in jeder Etage eine andere Stilrichtung. Die Raving Variety-Parties boten einen Floor für die Gabbanauten, einen Floor für die Hardtrance-Liebhaber, einen für Jungle und Breakbeat und einen Pervy-Floor für die Lustmolche an. Dieses vielfältige Angebot führte zu einer prickelnden Durchmischung von ganz verschiedenen Szenen und so mancher entdeckte auf diesen Parties bislang unbemerkte Vorlieben für den Genuss von zuvor unbekannten kulturellen Reizen und förderte so die Erweiterung des individuellen kulturellen Horizontes vieler Gäste. (Während an der Mayday am 25./26. November 1994 die Raving Society gefeiert wurde, veranstaltete der Bunker die Payday unter dem Motto Raving Variety. Vergl.: Flyer Nr. 1, Berlin 1994, S. 5 und S. 27)

Viele DJs hatten einen festen Platz im Bunker und legten regelmäßig für die ekstatisch tanzenden Fans ihrer Stilrichtung auf, und die Fan-Gemeinden wuchsen von Jahr zu Jahr immer mehr an. Ganz besonders galt dies für die Gabba-Nation (Stamm-Djs: Sascha, Olli, Danni, Cut-X), den Jungle- und Breakbeat-Parties (Stamm-DJs: Mad Axe, Boom, Shane), den House-Parties (Stamm-DJs: Zygan, Marco) und den Hardtrance-Parties (Stamm-DJs: Der Würfler, Roland 138 BPM, Björn/S).

Der Bunker öffnete 1992 seine Tore für das Publikum. Im Bunker-Garten war ein weiterer Club angesiedelt, der zuerst Rot-Kreuz-Club hieß, dann aber wegen einer juristischen Intervention des "Roten Kreuzes" seinen Namen ändern musste. Der Club wurde dann in Ex-Kreuz-Club ungetauft. Der Ex-Kreuz-Club bildete mit dem Bunker eine symbiotische Einheit. Am Donnerstag legten dort Bunker-DJs Jungle und Breakbeat auf, an den Samstagen wurden SM-Fetisch Parties gefeiert und auch an den Dienstagen stand Sex hoch im Kurs: Ingmars Technics (SM-Fetisch-Techno-Bar). Der Bunker und der Ex-Kreuz-Club boten auf fünf Dance-Floors ein für Berlin außergewöhnlich vielfältiges und extravagantes Programm an. Der Garten diente als gemeinsame Chill-Out-Area.

Der Bunker spielte in der Berliner Techno-Szene immer eine gewisse Außenseiterrolle und wurde beispielsweise von den Machern der Love Parade über Jahre hinweg ausgeschlossen, das heißt, der Bunker durfte nicht mit einem eigenen Wagen mitmachen. Werner Vollert, der den Bunker 1992 eröffnete, wurde als Seiteneinsteiger von den "alteingesessenen" Club-Betreibern der Berliner Techno-Szene abgelehnt, da eigentlich in Berlin das große Techno-Geschäft schon aufgeteilt war. Die Szene spiegelte klar die bestehenden Machtverhältnisse wieder, denn schon damals gab es einen knallharten Verdrängungswettbewerb und starke Monopolstellungen wirtschaftlicher Natur. (O. Henkel, K. Wollf: Berlin Underground – Techno und HipHop zwischen Mythos und Ausverkauf, Berlin 1996, S. 105) Dies wurde auch durch die Tatsache bestätigt, dass im "Localizer 1.0 – the techno house book" (Berlin 1995, Die Gestalten Verlag) dem Bunker kein Kapitel wie dem UFO, dem Tresor oder auch dem E-Werk gewidmet wurde.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin als Eigentümerin der Immobilie hatte den denkmalgeschützten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg dem Club-Veranstalter Werner Vollert bis September 1997 vermietet, hatte aber während der Gültigkeit des Mietvertrages im Dezember 1996 das Objekt zum Verkauf ausgeschrieben. (dpa: Früheres Aus für Techno-Bunker, in Berliner Zeitung vom 10. Dezember 1996, Ressort: Kultur) So wurde für den 14./15. Dezember 1996 zu einer großen Abschlussparty unter dem Motto "The Throwdown" und "The Final Countdown" mit allen Bunker-DJs und Gast-DJs (Trauma XP, XOL Dog 400 u.a.) inklusive Pervy-Party (Snax-Club) eingeladen. Die Party im Bunker konnte jedoch nicht stattfinden, da die Bauaufsicht dieselbe verhinderte und die Polizei den Bunker kurz zuvor verriegelt hatte und vor den Ravern sicherte. (o.A.: Bunker, the last chapter, in: Flyer Nr. 50, Berlin 1996, S. 7; AP/dpa: Kein letzter Rave im "Bunker", in: Berliner Zeitung vom 14. Dezember 1996, Ressort: Kultur)

Ende 1995 versuchte die Polizei schon einmal den Bunker zu schließen. Damals erschien eine Sonderkommission des Landeskriminalamtes (LKA) und brach alle Schlösser des Gebäudes auf, alles wurde gefilmt und photographiert und danach wurde das Gebäude versiegelt. Zudem wurden noch zwei Privatwohnungen durchsucht, zahlreiches Material beschlagnahmt und selbst der gesamte Inhalt des MAC-Computers Werner Vollerts wurde komplett auf polizeieigene Disketten kopiert. Der Vorwurf lautete: behördlich nicht genehmigter Discothekenbetrieb, unerlaubter Schankbetrieb und ähnliche Ordnungswidrigkeiten, einebehördliche Schließungsverfügung wurde jedoch nie ausgesprochen. (Disko: Clubsterben in Berlin, in: Frontpage 11/95, Berlin 1995, S.16; o.A.: Bunker geschlossen, in: Flyer Nr. 25, Berlin 1996, S. 5) In der Folge konnten dann aber nur noch in unregelmäßigen Abständen (einmal bis zweimal pro Monat) im Bunker Parties gefeiert werden.

Die Tatsache, dass die Berliner Baubehörde nach weit mehr als fünf Jahren Party-Betrieb im Bunker ausgerechnet vor der Abschlussparty das Gebäude polizeilich schließen ließ, hatte keinen sachlichen Hintergrund sondern war ein Politikum (Repression gegen eine bestimmte Szene).